Als Friedienspolitik noch hoch angesehen war…..

Als Friedienspolitik noch hoch angesehen war…..
KELLEPICS

 

Es ist inzwischen 50 Jahre her, dass Willy Brandt für seine Verständigungspoltik mit Osteuropa den Friedensnobelpreis erhielt. Es ging um die einfache Botschaft, dass Kontakte, kulturelle, politische und wirtschaftliche Beziehungen den Frieden sichern können. Mit und durch diese Einsicht haben wir 50 Jahre gut, sicher und in Wohlfahrt gelebt. Dieses Lebensprinzip hat, ohne die Eruptionen des NATO-Doppelbeschlusses zu vergessen, schließlich zu menschlichem Miteinander, zur Aufweichung der Blöcke, zum Verschwinden der Sowjetunion und zur deutschen Einheit geführt. Das  politische Lebensprinzip eines Sozialdemokraten bestimmte als politische Leitlinie eine neue, friedliche Weltordnung. Sie galt über Grenzen und Parteigrenzen hinweg. Sie galt  schließlich in den Kanzlerzeiten von Brandt über Schmidt bis hin zu Angela Merkel.

Dabei soll nicht verdrängt werden, dass diese Zeit auch eine Hochzeit offener und auch verdeckter ökonomischer und machtpolitischer Interessenpolitik wurde. Das gilt nicht nur für russische Oligarchen, ehemalige Regierungschefs sondern auch für Vladimir Putin, der sich im Schatten der europäisch geprägten „Wandel durch Annäherung“-Politik auf den Weg zum russischen Imperialisten machte. Der Glaube an den letztlichen Sieg des „Wandels durch Annäherung“ verdeckte im Westen eine notwendige deutsche und europäische Wachsamkeit. Tschetschenien, Georgien, Syrien, die Krim und viele Meilensteine auf dem Weg zum totalitären Staat hätten Deutschland und Europa gegenüber Russland wachsamer machen  können. Die westliche Appeasement-Politik der Zugeständnisse, der Zurückhaltung, der Beschwichtigung und des Entgegenkommens gegenüber Aggressionen zur Vermeidung eines Krieges wurde als Schwäche der demokratischen Staaten ausgelegt. Und sie war es schließlich auch.

Jetzt wagen sich allerdings die ganzen Besserwisser aus ihren politischen Luxuswohnungen. Es sind diejenigen, die von der seit fünfzig Jahren entwickelten Friedensdividende ausreichend profitiert haben. Das gilt sowohl für das Inland als auch für das Ausland. Da kotzen einen die großmäuligen Phrasendreschers in Politik und Medien geradezu an. Das gilt im Übrigen auch für Menschen wie den ukrainischen Botschafter, seinen Außenminister und auch den ukrainischen Präsidenten.  Damit es kein Missverständnis gibt, sie sind Opfer der russischen, menschenverachtenden Aggression. Sie verdienen und benötigen unsere Hilfe und Unterstützung. Dazu gehören auch Waffenlieferungen. Diese Hilfe einzufordern ist das gute Recht der ukrainischen Politik. Das zweifelsohne vorhandene Opferschicksal allerdings dafür zu nutzen um Deutschland und seine Staatsorgane zu Sündenböcken zu machen um sie dadurch zu nicht genügend reflektierten Handlungen zu zwingen, das ist mehr als dreist. Auch dann, wenn man die vorhandene Not- und Gefühlslage mit berücksichtigt. Ein Botschafter wie Andrij Jaroslawowytsch Melnyk, der Deutschland und den Bundespräsidenten direkt und indirekt für den Tod von Ukrainern verantwortlich machen will, der gehört des Landes verwiesen. Auch in diesen Zeiten.

Länder wie die Ukraine, aber auch die anderen osteuropäischen Staaten der ehemaligen sowjetischen Einflusssphäre, hätten, bei allem vorhandenen eigenen Einsatz,  ohne die beschriebene Friedenspolitik nie die Chance gehabt dem Ostblock zu entkommen. Und in diesem Zusammenhang war die Ukraine seit 1990 nicht nur ein Opfer. Es immer Grund nicht nur mit dem Finger auf andere zu zeigen, wenn es um die politische Befriedung des eigenen Landes geht. Allein Leonid Kutschma, Präsident der Ukraine seit 1994, ernannte in seiner Amtszeit bis 2005 sechs Ministerpräsidenten, die aus dem sogenannten „Klan“ von Dnipropetrowsk entstammten, einem Netzwerk von Oligarchen und Parteifunktionären. Zunehmend kontrollierte Kutschma auch die Regionalverwaltungen und schränkte die Macht des Parlaments ein. Darüber hinaus erlangte er auch schrittweise mehr Kontrolle über Medien und Journalisten.

Nochmals, der russische Angriffskrieg seit 2014 ist durch nichts zu entschuldigen. Allerdings lässt der moralisierende Fingerzeig und die Hochstilisierung eines neuen Sündenbocks für Europa – nämlich Deutschland – für die Zukunft nichts Gutes erwarten. In Kenntnis eines sich ständig ergebenden Countervailing power – einer Gegenmachtentwicklung in politischen Systemen – stärken derartige Aktivitäten nationale Wagenburgmentalitäten. Wir sollten froh sein, dass wir derzeit einen Regierungschef haben, der wohl überlegt bevor er handelt,auch in seiner Reaktion auf derartige rhetorische Angriffe. Man mag das zögerlich nennen. Vor einem Eintritt in den dritten Weltkrieg bin ich allerdings zu jedem Zögern bereit. Auch gibt es überhaupt keinen Grund wegen der praktizierten deutschen Friedenspolitik in „Sack und Asche“ zu gehen. Sie hat über Jahrzehnte hinweg den Menschen Frieden, Wohlstand und Sicherheit gebracht. Wir  mussten allerdings lernen, dass es Menschen gibt, die mit derartigen Werten nicht sozialverträglich umgehen können. Dazu gehören nicht nur Putin und Schröder. Diese Erkenntnisse und Putins Krieg sind eine Zeitenwende für eine Friedenspolitik, die auch morgen noch notwendig sein wird.