Das Problem hinter Sarazin: Fehlende Tatkraft in Sachen Integration,  fehlende Empathie für die Angst und Sorgen der Bevölkerung.

Das Problem hinter Sarazin: Fehlende Tatkraft in Sachen Integration,  fehlende Empathie für die Angst und Sorgen der Bevölkerung.

Der ehemalige Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Jochen Welt (SPD),  ist der Auffassung, dass es mit Rücktritten und Ausschlüssen im Fall Sarazin nicht getan ist. Welt fordert Engagement für die Probleme die hinter dem Problem Sarazin stecken:

Weiter schreibt Jochen Welt:

Ganz ohne Zweifel Thilo Sarazin darf nicht weiter Bundesbankvorstand bleiben.Er hat mit seinen „Vererbungsthesen“ im Rahmen einer Migrationsdebatte auch nichts mehrin die Sozialdemokratische Partei zu suchen. Nur zu glauben, mit seiner Entfernungaus Ämtern und Mitgliedschaften  wäre der Spuk vorbei, das ist leichtfertig. Zu sehr finden viele pseudowissenschaftliche Thesen in einer großen Öffentlichkeit einen  fruchtbaren Nährboden.

Wenn in der Öffentlichkeit mit dem Hinweis auf „die Freiheit des Geistes“ und der Schlussfolgerung:

„Er hat ja nicht in allen Punkten Unrecht.“ das anstehende Parteiordnungsverfahren kritisch bewertet  wird, dann muss man genauer hinschauen.Zu lange haben sich die politischen Akteure, allen voran die gegenwärtige Bundesregierung,  in Deutschland in Sachen Migration und Integration in lauwarmer Normalität gebadet. Die Streitkulturzur Integrationsfrage aus den 90ern gibt es schon lange nicht mehr. Es wird vor allen Dingenregierungsamtlich der Eindruck vermittelt, dass sich das Migrationsproblem – wenn überhaupt- auf die Frage der Notwendigkeit einer Zuwanderung von Fachkräften beschränkt. Integrationsgipfel und Förderprogramme sind lediglich Baldrian für das migrationspolitische Fachpublikum. Im Sinne einesgesellschaftlichen Diskurses wird der demographischen und damit auch integrationspolitischenWahrheit nicht ins Auge gesehen.

Die Situation in einzelnen Stadtteilen großer Städte wird immer bedrückender. Das erleben nicht nurdie dort noch verbleibenden einheimischen Bewohner hautnah und angsterfüllt. Die Situation in den Schulen einzelner Stadtteile weckt  im Blick auf die Verteilung Einheimische und Zugewanderteebenso Ängste und schürt Vorbehalte. Die Qualifikationsstruktur bei den Zugewanderten der jüngeren Generation lässt im Hinblick auf die zukünftige Chancenverteilung nichts Gutes erwarten. Vorhandene Qualifikationen von schon vor längerer Zeit Zugewanderten werden nicht ausreichend berücksichtigt. Das Thema „Nachholende Integration“ ist zu einer Überschrift im „Wort zum Sonntag“ der Integrationsdebatte verkommen. Aber auch die Einforderung von eigenen Schrittenzur Integration bei den Zugewanderten erfolgt eher zaghaft. Für den Beobachter ist das „Fördern und Fordern“ oder gar ein „Fördern durch Fordern“ wieder einer verständnisvollen Tatenlosigkeit gewichen. Die gegenwärtige Regierung nutzt die Chancen der Integration für die Gesellschaft nicht ausreichend. Die Chancen für positive Referenzerlebnisse werden somit vertan. Die Regierung stellt sich ebenso nicht der vorhanden Angst eines großen Teils der Bevölkerung und sie entwickelt ebenso keine diskussionsfähigen Zuwanderungs- und Integrationsvorschläge im Sinne eines Querschnittskonzepts .

Auf diesen Nährboden fällt das Buch von Thilo Sarazin.  Klare Kante zu seinen unhaltbaren Thesen.Aber das kann nur  die eine Seite eines sozialdemokratischen Aktionsplanes sein. Die andere Seite muss das offensive Angehen des Themas sein. Das meint die Entwicklung und Umsetzung voneigenen Vorstellungen zum Thema Migration im Blick auf den Arbeitsmarkt, den Städtebau, die Sozial-, Bildungs- und Kulturpolitik. Vor allem aber muss dafür gesorgt werden, dass sich die Bundesregierung diesem Thema stellt und es wieder zu einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe macht .