Flucht aus Afghanistan: Wir brauchen mehr als eine weitere Quotenregelung

Flucht aus Afghanistan: Wir brauchen mehr als eine weitere Quotenregelung
 
Da verlassen die USA und die NATO von heute auf morgen Afghanistan. Sie tun so, als wenn die sich dort abzeichnende Machtübernahme durch die Taliban nicht vorhersehbar gewesen wäre. Jeder konnte wissen, dass sich Nachbarländer und über die Türkei in Bewegung setzen würde. Noch nicht einmal in Bezug auf die einheimischen Bediensteten der NATO-Streitkräfte war man in Europa umfassend vorbereitet. Viel weniger ist man auf die einsetzenden Flüchtlingsströme aus allen Teilen des Landes vorbereitet.
 
Da hört es sich zunächst gut an, wenn Annalena Baerbock, als Kanzlerkandidatin der Grünen, umgehend Maßnahmen fordert. Dabei denkt sie in erster Linie an Aufnahmequoten und eine zügige Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland und Europa. Ein solcher Ansatz greift viel zu kurz und stellt uns vor das gleiche Dilemma wie 2015/2016. Politik muss die schon längst erkennbaren Fluchtwege in den Blick nehmen und mit den betroffenen Anrainerstaaten von Afghanistan wie Usbekistan, Tadschikistan, Pakistan, Iran, Turkmenistan Gespräche und Verhandlungen zur Aufnahme und Unterbringung von Flüchtlingen führen.
 
Das ist nicht einfach, bei den vielfach autoritär geführten Staaten im Umfeld von Afghanistan. Ich weiß wovon ich rede. Habe ich doch lange Jahre Verhandlungen mit dereartigen Staaten zum Schicksal der Russlanddeutschen führen dürfen. Trotzdem muss man es versuchen. Vielleicht ist es mit den dortigen Regierungen auch möglich Ansiedlungs- und Übergangsprojekte durchzuführen. Unter Begleitung der Vereinten Nationen müssen von dort aus auch notwendige Aufnahme- und Verteilverfahren durchgeführt werden. Das alles wird Geld kosten, viel Geld. Aber das ist allemal sinnvoller als eine erneute Flüchtlingswelle abzuwarten und hier erschrocken und überfordert zu sein. Und sich dabei erneut den Erpressungen von Herrn Erdogan oder Herrn Lukaschenko auszusetzen.
 
Neben einer offensiven Befriedungsdiplomatie für Afghanistan selbst, braucht es ein derartiges umfassendes Programm zur Bewältigung der Flüchtlingsfrage. Der Ruf nach einer sofortigen Aufnahme in Deutschland und Europa allein wird der gegenwärtigen Lage nicht gerecht.