Rhetorik die Nazi-Verbrechen verharmlost ist ein schleichendes Gift

Rhetorik die Nazi-Verbrechen verharmlost ist  ein schleichendes Gift
 
Eine Rhetorik die Nazi-Verbrechen verharmlost ist wie ein schleichendes Gift. Sie verändert die Wertvorstellungen einer Gesellschaft langsam, manchmal kaum spürbar – letztlich aber gewaltig. Deshalb muss ich dem von mir sonst sehr geschätzten Künstler und bislang konstruktiv-kritischen Zeitgenossen Ralph Herrmann nachdrücklich widersprechen.
Herrmann schreibt in seinem Leserbrief, dass Herrn Puschmann, der einen unsäglichen Vergleich zwischen der Änderung des Infektionsschutzgsetzes und dem Ermächtigungsgesetz der Nazis für nötig hielt, „ nun… an die Wand gestellt und mit einem Kübel Dreck überschüttet“ wird. Er kritisiert dann diejenigen, die sich berechtigt gegen einen derartigen Vergleich wehren als „Dreckschmeißer“ und „geschichtsvergessen“. Seine Geschichtsklitterung, die SPD war 1933 (Beschluss des Ermächtigungsgesetzes und Startpunkt der Hitlerdiktatur) „auch nicht frei vom Mitwirken“, ist eine fatale Verdrehung der Geschichte und eine Beleidigung für alle aufrechten Demokraten.
Wahr ist: „Die 94 anwesenden Abgeordneten der SPD stimmten ungeachtet der massiven Drohungen als einzige Fraktion geschlossen gegen die Selbstentmachtung des Parlaments. 26 Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) waren bereits verhaftet oder geflohen und konnten nicht an der Abstimmung teilnehmen. Die KPD war übrigens schon vom Parlament ausgeschlossen. Der SPD-Parteivorsitzende Otto Wels erkannte im Ermächtigungsgesetz die Entmachtung des Parlaments und warnte die Abgeordneten eindrücklich vor den Folgen seiner Annahme. Der Satz aus Otto Wels Rede „Freiheit und Leben kann man uns nehmen, die Ehre nicht“ erlangte besondere Bedeutung. Er wurde in den folgenden Wochen und Monaten für viele der von den Nazis Verfolgten traurige Realität. Wels Worte waren die letzten freien, die für die nächsten 13 Jahre in einem deutschen Parlament gesprochen wurden. (s.a. Hans-Ulrich Thamer: Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft)
Doch es soll mir hier nicht zuerst um die SPD gehen. Es geht um weit mehr. Wer diesen durch das Ermächtigungsgesetz legitimierten Staatsterror mit der Veränderung des Infektionsschutzgesetzes vom 18.11.20 gleichsetzt oder deren Gleichsetzung fördert, der verniedlicht nicht nur den Tod und das Leid in der NS-Diktatur, der leistet auch einen Beitrag zur Verschiebung unserer gesellschaftlichen Werte. Das geänderte Infektionsschutzgesetzt begrenzt die Rechte der Regierung, es befristet sie und macht deren Handeln jederzeit durch das Parlament rückholbar. Hier über Details zu streiten, wie durch Linke und FDP, ist in unserer Demokratie möglich und nötig. Ebenso wie der Satz „Das Gesetz ist schlecht. Aber es errichtet keine Diktatur“, des FDP-Abgeordneten Buschmann möglich und für den demokratischen Diskurs wichtig ist.
Damit uns die Demokratie nicht über eine unsägliche Rhetorik und widerliche Agitation entgleitet müssen wir wieder sensibler und wehrhafter werden. Es geht um unsere gesellschaftlichen Werte. Relativierung der Nazi-Diktatur, Behinderung der parlamentarischen Arbeit durch Demokratiegegner und die AfD, willfährige Duldung von Rechtsradikalen bei Corona-Demonstrationen, Relativierung von Menschenwürde und körperlicher Unversehrtheit bei der Pandemiebekämpfung. Hier aufmerksam, wachsam und widerstandsfähig zu sein, das ist das Gebot der gegenwärtigen Zeit. Beiträge von Herrn Puschmann und Leserbriefe, wie die von Herrn Herrmann und insbesondere Herrn Sarbok, bewirken das Gegenteil.