Das Drama Trump und das neue Opferzeitalter

Das Drama Trump und das neue Opferzeitalter

Noch nie hat ein US-Präsident sein Land so heruntergeredet. Wir kennen es doch anders: Die USA sind ein starkes, selbstbewusstes Land. Und noch nie hat sich ein US-Präsident derart als Opfer imaginärer, vermuteter oder konstruierter Feinde dargestellt. Amerika als Opfer des freien Welthandels, Amerika als Opfer mexikanischer Zuwanderung, Amerika als Opfer des Islamismus, Amerika als Opfer von Ausbeutern in NATO und anderen Organisationen, Amerika als Opfer einer lügenden Medienkaste.

Es ist zu einfach Trumps Handeln als Populismus zu beschreiben. Populismus trifft den sozial- und massenpsychologischen Hintergrund nur unzureichend. Trump trifft die oft geschundene Seele der wirklich abgehängten US-Bürger und vereinnahmt diejenigen, die sich als Opfer der Obama-Ära fühlen. Er vereinnahmt diejenigen, die einen schwarzen Präsidenten innerlich nicht akzeptieren konnten und wollten. Die innerlich noch immer das „weiße“ Amerika wollen und sich nun durch das „Symbol Obama“, durch die Bevölkerungs- und Zuwanderungsentwicklung bedroht und damit als Opfer einer falschen Politik fühlen. Countervailing power- eine sich entwickelnde Gegenmachtentwicklung- wird gnadenlos instrumentalisiert.

Alle diese gefühlten Opfer vereinnahmt Trump in sein Opfer-Konzept, indem er gleichzeitig die Täter präsentiert. Es sind nicht nur Hilary Clinton und die Demokraten, es sind Europäer, die Chinesen und insbesondere die Deutschen. Mit dieser gesellschaftlich aufgebauten Opferblase braucht es in diesen Zeiten keine „Sportpalastrede“ um ein Volk zu Vollstreckern zu machen. „Sperrt Sie weg!“ u.a. wird aus einer aufgestauten Opferblase geboren, über die „Sozialen Medien“ multipliziert und durch „Klicks“ und „Follower“ legitimiert.

Doch damit nicht genug. Er instrumentalisiert nicht nur die Opfer und stigmatisiert vermeintliche Täter. Er präsentiert auch den Retter Donald Trump. Glorifiziert, mit der Engelschar seines Clans und den goldenen Vorhängen im Oval Office präsentiert er sich als derjenige, der nicht nur Amerika wieder groß macht. Jeder Einzelne, jedes bisherige Opfer soll sich in der so versprochenen Größe sonnen können.

 

Und wenn es dann mal nicht klappen sollte, dann müssen neue Sündenböcke her. Trump ist noch nicht ganz an der Macht. Schon hat er neue Täter gefunden als dessen Opfer er sich sieht. Er beschuldigt die Presse gegen ihn zu sein. Wegen vermeintlich falscher Besucherzahlen zur Amtseinführung bezichtigt er die Medien der Lüge. Eine Banalität? Nein, für die Zeit der Amtsführung gilt es rechtzeitig wirksame Sündenböcke aufzubauen und die Akteure einzuschüchtern.

Das Schauspiel des Dramas Trump erscheint wie auf einer Bühne. Ein Drehbuch entwickelt aus der fortgeschriebenen »Psychologie der Massen« von Gustave Le Bon. Aber es ist keine Theaterbühne auf der dieses Stück spielt. Es ist gefährliche Realität. Und dieses Stück wird nicht nur in Amerika gespielt. Es hat Premiere in vielen Ländern dieser Welt. Das Opferzeitalter der digitalen Gesellschaft hat begonnen. Trotz erkennbarer Besonderheiten in den unterschiedlichen Ländern bleibt die Dramaturgie. Und es gibt offenbar eine Grundausrichtung für das „Retterprofil“. Gustave Le Bon müsste zwar zu Kenntnis nehmen, dass diese Typen Mensch inzwischen auch weiblich sind. Ansonsten kommt seine Formulierung von vor mehr als 120 Jahren irgendwie bekannt vor: »Meistens sind die Führer keine Denker, sondern Männer der Tat. Sie haben wenig Scharfblick(…). Man findet sie namentlich unter den Nervösen, Reizbaren, Halbverrückten, die sich an der Grenze des Irrsinns befinden.«

Text: Jochen Welt 
Bild: Ruhrrat