Mit Ignoranz und Selbstgefälligkeit gewinnt man keine Wahl

Noch vor einigen Wochen konnten einige rot-grüne Koalitionäre in Düsseldorf vor Kraft kaum laufen. Jetzt ist es passiert, womit man in NRW und im Bund nicht rechnen wollte aber einfach rechnen musste. Die CDU ist die stärkste Partei im Bundesland zwischen Rhein und Weser. Die SPD kann sich auf die Oppositionsrolle oder vielleicht auf die Große Koalition vorbereiten.

 

Dabei hat der Martin-Schulz-Hype auf die Genossinnen und Genossen lange wie eine Droge gewirkt , sie von einer ernsthaften Analyse der Situation der Stimmung im Lande und von der Entwicklung von Lebensperspektiven für die Bürgerinnen und Bürger abgehalten. Jetzt auf Martin Schulz oder Angela Merkel zu schauen lenkt erneut von der schwierigen Situation der NRW – SPD ab. Sie war desaströs vor der Rütgerswahl. Sie ist desaströs nach der Laschet-Wahl. Die NRW-SPD wirkt verbraucht, behäbig, arrogant, selbstgefällig, ignorant. Positive Eigenschaften fallen da nicht so recht ins Gewicht. Deshalb nur mal einige Beispiele:

 

Beispiel Laschet

Man war sich in der NRW-SPD in Sachen Laschet so sicher. Ein Dampfplauderer aus dem Rheinland – der wird es nie. Das war die Meinung. Warum hat man es zugelassen, dass einer, der Mitglied der letzten CDU-Regierung war, ungestraft alle NRW-Minuspunkte der SPD anrechnen darf?  Warum setzte die Kampagne der SPD nicht beim blamablem Abgang von Rüttgers und Laschet an?

 

Beispiel Lindner

Da tritt jemand als Personality-Show für den Landtag in NRW an und will gar nicht da bleiben sondern in den Bundestag. Auch das wurde es viel zu spät kommuniziert und zu zaghaft.

 

Beispiele Landesverwaltung und Ministerien

Da gibt es eine Landesverwaltung die für sich selbst genug ist. Nicht allen aber immerhin genug Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Ministerien ist es doch egal wer unter ihnen der Minister ist. Klare Ansagen von der politischen Führung waren da kaum vernehmbar oder im Apparat erkennbar. Es nimmt alles seinen nordrhein-westfälischen Gang.

 

Beispiel Flüchtling und Innere Sicherheit

Wie gefangen verharrte die NRW-SPD in der Gut-Mensch-Rhetorik der Bundeskanzlerin aus 2015. Statt als Land klare Kante gegenüber dem Bund zu zeigen, auf die massenhaft nicht-registrierten Flüchtlinge zu verweisen und bundespolitisch vernehmbare Forderungen zur Inneren Sicherheit und Integration zu entwickeln,  wurde man selbst zum Sicherheitsrisiko stilisiert. Das ist übrigens nicht nur ein NRW-Thema sondern auch ein SPD-Bundesthema. Die CSU war da überhaupt nicht zimperlich.  Durch die Gefangenschaft in der großen Koalition war  und ist die SPD zu diesem Themenbereich offensichtlich nicht in der Lage dem Sicherheitsbedürfnis vieler Bürgerinnen zu entsprechen. Vor allem dann nicht, wenn man derartige Themen  den nicht unbedingt werbewirksamen Vertretern aus dem SPD-Bundesvorstand überlässt.

Es war einfach faszinierend zuzusehen, wie die CDU bzw. ihre Vorsitzende  von der Hauptverursacherin des Unsicherheitsgefühls, durch verbale Paradigmenwechsel und Schuldzuweisungen nach NRW (und damit die SPD), zur Retterin vor Unsicherheit mutierte.

 

Beispiel Jäger

Es gibt Situationen, da werden Politiker in Spitzenpositionen -ohne nachgewiesene Verfehlung- zur Belastung für die Partei. Das muss man erkennen und danach handeln. Man befreit die Partei von der Belastung nur durch Kontrapositionen und zügigen Personalentscheidungen im Blick auf die belastenden Person. Generell ist die SPD da nicht so zimperlich. Warum das zu Person Jäger nicht schon vor Köln geschehen ist, bleibt ein Rätsel.

 

Beispiel Ruhrgebiet

Sicherlich sind die Verluste für die SPD im Ruhrgebiet am stärksten spürbar. Was ist da für die Menschen spürbares geschehen?  Natürlich gibt es in Zukunft die Direktwahl des Ruhrparlaments. Na und? In der Metropole Ruhr mit mehr als 5 Millionen Einwohnern hat es die SPD nicht geschafft den Menschen Sicherheit und Zukunftsperspektive zu vermitteln. Hier gibt es weiter die mentalen Schlagbäume an den mehr als 50 Stadtgrenzen der Ruhrgebietsstädte. Hier wird Verwaltung, Politikmanagement und Infrastruktur unkoordiniert doppelt und dreifach vorgehalten. Hier kommt es nicht zur Synergie sondern zur isolierten Geldvernichtung. Mehrere Milliarden gehen so verloren. Milliarden die die soziale Lage, die Verkehrssituation oder die Bildung hätten verbessern können. Stattdessen gefällt man sich bei den Stadtspitzen- insbesondere gegenüber dem Bund – als langlebiges Opfer. Wo war hier die klare Kante? Offensichtlich hat die SPD nicht die notwendige Kraft gegenüber teilweise selbstgefälligen und arroganten Stadtspitzen.

 

Es gibt sicher noch mehr Beispiel die nachhaltig belegen, dass der Niedergang der SPD in NRW nicht die Verantwortung von Martin Schulz ist. Dieser Niedergang hat vor vielen Jahren begonnen und nun hoffentlich einen Schlusspunkt gefunden. Es sei denn, diese Partei macht sich – wenn gerufen – nun für eine große Koalition auf Landesebene bereit. Aus demokratischer Verantwortung natürlich. Aber vielleicht geht es dabei wieder um die inzwischen schmaler zu besetzenden Posten. Nahe bei den Menschen sein, das ist die Aufgabe der Stunde. Koalitionsgerangel gehört nicht dazu. Andere Konstellationen sind möglich. Wenn andere nein sagen können, dann kann die SPD das auch.

Und noch einmal die Selbstgefälligkeit. Ich höre schon jetzt wieder Stimmen, die sich in Ruhrgebietsgemeinden mit 36 % als Sieger fühlen. Der Sieg über eine noch schwächere CDU kann da nicht der Maßstab sein. Vielmehr die Ausschöpfung der Möglichkeiten.