Die Angst der Menschen und Politik aus der Blase

Die Angst der Menschen und Politik aus der Blase

 

Es treibt alte Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten um.  In Gesprächen mit Nachbarn, Freunden und Bekannten vernehmen und verspüren sie deren Sorgen und Ängste vor einer ungewissen Zukunft. Sei es der Ukraine-Krieg, die sich abzeichnende wirtschaftliche Entwicklung, die Inflation, die Wohnungsnot, die steigenden Mieten, die Zuwanderung, die Entfremdung ihrer Wohnquartiere, der Pflegenotstand, das Krankenhausdilemma  oder die Klimaentwicklung.

Politik soll Orientierung geben, Lösungen angehen, Probleme beseitigen. Nicht, dass in den genannten Angstfeldern nicht politisch gearbeitet würde. Nicht, dass die Bundesregierung hierzu nicht aktiv ist. Sicherlich ist man in Partei, Fraktion und Regierung hier enorm fleißig.

Deshalb ist es um so schlimmer, dass von diesen Kraftanstrengungen so gut wie nichts herüberkommt.  Die Menschen sind weiterhin verunsichert. Es verbleibt ein Tummelbecken für Populisten und Rechtsradikale. Sie haben zu der Vielzahl der angstbesetzten Themen schnelle, kurze und merkbare Antworten. Sie bieten sich und ihr politisches Personal, wider besseres Wissen, als Problemlöser an.

Die Sozialdemokratie war mal näher bei den Ängsten der Menschen. Es verging nicht eine Fraktionssitzung, in der nicht Abgeordnete, z.B. die aus Duisburg, Dortmund oder Gelsenkirchen die Sorgen ihrer Wählerschaft servierten und Lösungen anmahnten. Keine Fraktionssitzung verging, ohne dass die Interessen der „kleinen Leute“  in die Beratungen eingebracht und auch öffentlich wurden. Die Themen waren in Partei und Öffentlichkeit präsent und das war für die Bürgerinnen und Bürger, verbunden mit einer viralen Vor-Ort-Arbeit,  merkbar.

Und heute? Beim Blick in die Seite der „Aktuellen Dokumente“ der SPD – Bundestagsfraktion ( www.spdfraktion.de/themen/positionen ) findet man, als ein Beispiel,  die offensichtlichen Handlungsprioritäten. Hier mal die Auflistung   der Dokumente vom 12.05.23 bis 07.02.23:

12.05.2023: Negativemissionstechnologien (CCU/S) – zum Umgang mit unvermeidbaren Restemissionen

25.04.2023 Deutschlands Rolle im Weltraum – Souverän. Exzellent. Resilient.

18.04.2023 Für einen effektiveren Diskriminierungsschutz in Deutschland

28.03.2023 Mobilitätsdaten fair teilen – Innovationen fördern

28.03.2023 Bundestag digitalisieren – elektronisch abstimmen ohne Missbrauchsmöglichkeiten

28.03.2023 Wasserstoffinfrastruktur: Zielführende Regulierung und Finanzierung für das Rückgrat der Sektorkopplung

28.02.2023 Gute Arbeit in der Wissenschaft: Basis für exzellente Forschung und Lehre in der Transformation

28.02.2023 Weitere Anpassung der SED-Unrechtsbereinigungsgesetze an die Bedürfnisse der Betroffenen

07.02.2023 Die Westbalkanstaaten auf ihrem Weg in die Europäische Union unterstützen

07.02.2023 Supporting the Western Balkan states in their path to the European Union

Natürlich. Es gibt daneben eine Vielzahl von Aktivitäten, auch zu den Angstfeldern der Menschen. Da kann diese Kritik schon als wohlfeil und ungerecht empfunden und bezeichnet werden. Allerdings, wenn Teile der Partei z.B. eine Reform des Migrationsregimes anstreben, mit einem Thema also, das vielen auf den Nägeln brennt, dann gibt es von anderen Gruppen der Partei Sperrfeuer.  In der Bevölkerung kommen diese „Mixed Messages“ der Sozialdemokratie als Uneinigkeit, Kraftlosigkeit und Unfähigkeit an.    Und deshalb bleibt es dabei.  Das was nach Außen dringt, was ankommt, was hängen bleibt, das ist ein Themenfahrplan von Politikern, die vermeintlich in ihrer eigenen Blase leben und sich nur für Partikularinteressen einsetzen.

Menschen legen sich Narrative zu, von der Welt wie sie ihnen erscheint.  Zunehmend werden diese mit Angst gefüllt und weichen von den Wunschnarrativen einer heileren Welt erheblich ab. Medien, Internet und populistische Parteien helfen beim Auffüllen dieser Narrative mit Problemen, Sorgen und Ängsten. Populisten in und außerhalb der AfD bieten sich als Problemlöser an. Und eine fatale Erkenntnis der demokrtischen Parteien, nicht nur für Sozialdemokraten: Sie spielen als Ansprechpartner und Problemlöser eine beständig abnehmende Rolle. Woran kann das wohl liegen?