Der ungeliebte Kanzler: Regierung mit eingebauter Opposition

Der ungeliebte Kanzler: Regierung mit eingebauter Opposition

Was waren das doch für Zeiten. Die große Mehrheit im Land hatte die Merkel-Zeit satt. Das Management der GroKo in der Covid-Krisenzeit spaltete die Gesellschaft. Merkel und die CDU/CSU müssen weg, hieß es. Die Antipathie mit der GroKo war auf Schritt und Tritt spürbar. Schließlich wurde dem Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet quasi ein vergleichsweise kleiner Lapsus, das Lächeln bei der Flutkatastrophe, zum Verhängnis. Es passte einfach, die Union durfte nicht mehr an die Berliner Hebel der Macht.

Und so kam es dann auch. Abseits einer rechnerisch noch möglichen Koalition von Union, Grünen und FDP zerlegte sich die Union mit ihrem Kanzlerkandidaten und stand für eine ernsthafte Regierungsbildung ernsthaft nicht zur Verfügung. Danach kam, was kommen musste, eine Rot-Grün-Gelbe Koalition als einzig denkbare Regierungsoption. Nun gut, die Selfies, die gespielte Selbstzufriedenheit, Regierungsgewissheit und Change-Euphorie waren doch sehr dicke. Diese Impulse schafften die eigentlichen Narrative in der Bevölkerung, an der sich die ehemaligen Koalitionäre und jetzigen Regierenden jetzt messen lassen müssen.

Es stimmt. Für die euphorischen Narrative haben die Rot-Grün-Blauen gesorgt. Die Ergebnisse bei Wahlen und Umfragen und der Absturz der regierenden Parteien sind nun die Folge von spürbaren Enttäuschungen. Ein ähnlicher Mechanismus ist bislang nach jeder Bundestagswahl zu verzeichnen gewesen: vor den Wahlen und bei Regierungsantritt: VersprechungenLobpreisungen, dann Regierungshandeln, dann einsetzende Enttäuschungen. Die entsprechenden Ergebnisse sind bislang fast immer an den nachfolgenden Landtagswahlen und in Umfragen ablesbar gewesen. Die Regierenden werden abgestraft. Warum? Viele der inzwischen enttäuschten Wähler fühlen sich als Opfer falscher Versprechungen. Warum kann man es denn nicht mal umgekehrt sehen? Der Regierungsfrust entsteht durch zu unrealistische Erwartungen.

Bei einigermaßen klarem Blick auf die politische Landschaft hätten wir doch alle wissen können, dass eine Koalition aus SPD, Grünen und Liberalen kein Sonntagsspaziergang wird. Da prallen im täglichen Regierungsgeschäft gegensätzliche Politikansichten, gar Ideologien aufeinander. Wer sich als Land eine solche Regierung leistet, der macht eine Opposition im Deutschen Bundestag fast überflüssig. Man hat eine Regierung, einschließlich der Fraktionen, mit eingebauter Opposition. Deshalb ist das Gezeter der politischen Klasse und der Medien über den ständigen Streit in der gegenwärtigen Koalition auch so naiv oder vielleicht sogar verlogen. Jeder hätte nämlich bei einer Regierung mit eingebauter Opposition damit rechnen müssen. Besonders nervend daran ist, dass die sonst wichtige Opposition im Deutschen Bundestag ihre Rolle überhaupt noch nicht gefunden hat. Da wird alles Gemecker aus der Koalition nach gegackert. „Zu wenig Waffen für die Ukraine, mehr Panzer“, fordert aus der Koalition Frau Strack Zimmermann für die FDP. Ins gleiche Horn bläst Roderich Kiesewetter von der Union. Strack-Zimmermann ist das Original, die Union nur eine schlechte Kopie. Sie profitiert nicht. Es profitiert die AfD, weil die Bürgerinnen und Bürger ob der Regierungsstreitigkeiten verärgert sind und die Union ihre eigentliche Rolle als Alternative zur Regierung nicht oder noch nicht gefunden hat.

Deshalb: Können wir als Wählerinnen und Wähler nicht die mit dem Regierungshandeln verbundenen Erwartungen und Enttäuschungen mal ein wenig niedriger hängen? Alles nun an Olaf Scholz festzumachen und ihn mit niedrigen Beliebtheitswerten abzustrafen, wird der Sache nicht gerecht. Man könnte fast den Eindruck haben, dass der ungeliebte Kanzler am ganzen Elend der Welt allein Schuld ist. Angesichts der Gemengelage in Regierung und Parlament läuft doch ziemlich viel,  das in vertretbarer Zeit und am Ende des Tages, mit meist guten Ergebnissen. Angesichts von Energiekrise, Ukrainekrieg, politischem Post-Covid, Inflation, Energie- und Mobilitätswende und dem ständigen Anspruch einer schwarzen Haushalts-Null, hat sich diese Regierung unter der moderierenden Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz bislang doch recht gut geschlagen. Seine ruhige und besonnene Art hat uns vergleichsweise gut durch die bisherigen Krisenjahre gebracht. Dabei wurden auch die ehern gesteckten Ziele in Energie, Umwelt und Soziales nicht vergessen. Keiner konnte bei dieser Regierung mit eingebauter Opposition den Eindruck haben, dass das geräuschlos vonstattengeht.

Nur eins ist auch klar. Die gerade vorgetragene Erkenntnis zur Lage der Republik und der Regierungskoalition verbreitet sich nicht von selbst. Die muss erklärt werden, ständig erklärt werden. Da liegt bei Olaf Scholz und seinem Team ein wirkliches Manko. Denn schließlich müssen die Bürgerinnen und Bürger auch nachfühlen können, dass sie bei der Bewältigung der für alle erkennbaren Probleme nicht außen vorgelassen und ausgeliefert sind. Das „wird schon“ und wir machen das einer paternalistisch agierenden Regierung ist da wenig hilfreich. Ein wenig mehr erklären und  Wir schaffen das„Lasst uns anpacken“ wäre da angebrachter.