Brennt es schon im Haus unserer Demokratie? Demokratie braucht jetzt wehrhafte Demokraten!

Brennt es schon im Haus unserer Demokratie?            Demokratie braucht jetzt wehrhafte Demokraten!

Gefahr für unsere Demokratie? Brennt es schon im Haus unserer Demokratie? Erst wird in Sonneberg ein AfD-Mann zum Landrat gewählt. Jetzt stellt Raguhn-Jeßnitz, in der Region Bitterfeld, einen AfD-Bürgermeister. Über Sonneberg und Raguhn-Jeßnitz würde keiner sprechen. Die Wahlen wären nicht interessant, wenn nicht dadurch eine Tendenz in Ostdeutschland zu erkennen wäre, die sich auch in Meinungsumfragen vor den anstehenden Landtagswahlen in den ostdeutschen Bundesländern verfestigt. Die AfD entwickelt sich vielfach zur stärksten Kraft bei den Wahlen. Diese Entwicklung hinterfragt eine Studie des Else Frenkel-Brunswik Instituts der UNI Leipzig. Die Untersuchung zeigt sich zunehmend verfestigende, rechtsradikale und autoritäre Strukturen. Beim näheren Hinsehen nicht nur ein Thema für die neuen Bundesländer.

Nach der Studie ist die Zustimmung zu rechtsextremen Aussagen in den ostdeutschen Bundesländern hoch. Besonders herausgehoben ist die Ausländerfeindlichkeit und der Glaube an die Überlegenheit der eigenen Gruppe (Chauvinismus). Hier macht der Anteil der Ablehnenden bei einzelnen Antwortkategorien der Studie nicht einmal die Hälfte der Befragten aus. So werden in einzelnen ostdeutschen Bundesländern Aussagen mit eindeutig rechtsextremen Inhalten nur von 20-30% zurückgewiesen. Antworten zum Antisemitismus fallen ähnlich aus. Eine hohe Bedeutung hat die Tatsache, dass sich derzeit viele Menschen der ostdeutschen Bundesländer weder für die Sicherung der demokratischen Grundrechte noch für mehr demokratische Teilhabe interessieren. Vielmehr wird die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit bevorzugt. Viele Ostdeutsche wünschen sich also eine starke Führung, der sie sich unterordnen und an deren Stärke so durch Identifikation teilhaben können. Die als „schwach“ erlebte demokratische Aushandlung und Kompromissfindung steht dem entgegen. (sie o.g. Studie St. 21)

Sicherlich gibt es für die hier aufgezeigten Tendenzen Erklärungsmuster. Interessant ist, dass in der o.g. Studie individuelle ökonomische Gründe nur eine untergeordnete Rolle spielten. Die Untersuchung verweist auf sozialpsychologische Faktoren beim Zustandekommen der politischen Einstellung. Dabei geht um ein stark vorhandenes individuelles wie kollektives Bedürfnis nach Autorität sowie die Suche nach Verschwörungsnarrativen . Anders als die individuelle ökonomische Lage wirkt die Einschätzung der nationalen wirtschaftlichen Lage offensichtlich stärker. Es ließe sich, so die Forscher der Studie, eine starke Identifikation mit der starken deutschen Wirtschaft erkennen. Die nationale ökonomische Lage ist offensichtlich so etwas wie ein Sicherheitsanker. Bei deren Bedrohung und Schwächung bilden sich nun erheblich Ressentiments gegenüber dem vorhandenen demokratischen System aus. Was letztlich bedeutet, dass man sich diesem demokratischen System nur so lange verbunden fühlt, wie es den vermuteten Sicherheitsanker bieten kann.

Eigentlich ist man doch von dieser Realität auch in Westdeutschland gar nicht weit entfernt. Die stärkere Ausprägung und die erkennbaren Ausschläge in den neuen Bundesländern mögen in der erlebten, erfahrenen und vermittelten Autoritätsfixierung liegen. So kann die Entwicklung in Ostdeutschland gleichsam ein Seismograf für eine zu erwartende Entwicklung in ganz Deutschland sein, wenn die vermutete oder befürchtete nationale ökonomische Lage verstärkt auch andere Teile unseres Landes erfasst. Bei dem Begriff nationale ökonomische Lage geht es nicht allein um einzelne Parameter wie Arbeitslosenzahlen, Preissteigerungen etc. Vielmehr spielt schon allein die Befürchtung einer Gefährdung dieser Lage, durch krisenhafte Entwicklungen, Migration oder ein als nicht kompetent erkanntes Regierungshandeln, eine demokratiegefährdende Rolle.

Zur Erosion des demokratischen Systems kommt es, wenn, bei gefährdeter nationalökonomischer Lage, die Identifikation mit der Demokratie immer weiter bröckelt und durch absolutistische Narrative ersetzt wird. Ein Grund wird darin liegen, dass Demokratie als gesellschaftliches Kompromiss- und Aushandlungsmodell nicht verinnerlicht wurde. Die durch Politik und Medien vermittelten Narrative hatten immer die verbesserte sozialökonomische Lage als Zielpunkt. Dem gefühlte Anything goes Westdeutschlands entsprachen die „Blühenden Landschaften“ in den neuen Bundesländern. Keine politische Bildung und Weiterbildung oder gar parteipolitischen Werbung um Wählerstimmen haben je deutlich gemacht, dass das Erreichen einer sozialökonomischen Prosperität eine funktionierende freiheitlich-rechtsstaatliche Grundordnung voraussetzt. Prosperität war stets der Hauptteil der vermittelnden Narrative, demokratische Teilhabe und Verantwortungsübernahme waren stets nur die rhetorischen Girlanden. Kein Wunder, wenn derartige Narrative in diesen krisenhaften Zeiten bröckeln. Da wo diese emotionalen Vorstellungen für ein zukünftiges prosperierendes oder auch sicheres Leben erodieren, da empfinden sich viele als Verlierer. Da wo sich viele als Verlierer fühlen, da werden Schuldige und Sündenböcke gesucht. Aber es werden auch diejenigen gesucht, von denen sich die gefühlten Verlierer Schutz und Hilfe versprechen. Ohne die ältere deutsche Geschichte zu bemühen, zeigt allein der Blick auf das Vasallentum vieler Trump-Anhänger in den Vereinigten Staaten welche Entwicklungen und Auswirkungen gesellschaftlich vorhandene Verlierergefühle haben können.

Was ist zu tun? Mehr politische Bildung in Ost und West wird wichtig sein. Sie reicht aber bei Weitem nicht aus. Unser gesellschaftliches System muss vom Kopf auf die Füße gestellt werden. Die Basis unseres demokratischen Systems muss ein solidarisches Miteinander sein, die Bereitschaft zur Verantwortungsübernahme und ein klares und konsequentes, wehrhaftes staatliches Handeln. Diesen Dreiklang herzustellen oder erneut zu aktivieren, das muss der gesellschaftspolitische Auftrag für die Zukunft sein. Leistungen für unsere Gesellschaft, für die Gemeinde, die Nachbarschaft, den Familienverbund benötigen staatliche Würdigung und Förderung. Verantwortungsübernahme in dieser Gesellschaft muss auch in und für unsere Demokratie eingefordert werden. Der demokratische Staat ist kein anonymes Wesen das alles, zur Wohlfahrt aller, regelt. Ein soziales Pflichtjahr, ob im Sozialdienst, dem Katastrophenschutz oder der Landesverteidigung sollten zu einer Selbstverständlichkeit in einer Demokratie gehören. Staatliches und parteipolitisches Handeln muss aufrichtig werden. Es dürfen keine Überbietungswettbewerbe wohlfahrtsstaatlichen Handelns stattfinden. Diese schaffen Narrative, die später nicht einlösbar sind. Ebenso dürfen nicht nur die Vorteile, vielmehr müssen auch die Pflichten einer Demokratie benannt werden. Im Aufzeigen gesellschaftlicher Herausforderungen in Krisensituationen müssen sich alle demokratischen Parteien einig sein. Parteienstreit verbietet sich da. Die Erfüllung dieses politischen Dreiklangs bietet die Chance, das den „Schönwetter-Demokraten“ der Nachkriegs- und Nachwendezeit jüngere Demokraten folgen werden, die sich mit ihrer Demokratie identifizieren und sie zukunftssicher mitgestalten.

Beispiel: Verleihung der StaatsbürgerschaftHerzlichen willkommen im Supermarkt unserer Demokratie

Herzlichen Glückwunsch zu Ihrer deutschen Staatsbürgerschaft. Mir ist wichtig, dass Sie wissen: Keiner von Ihnen gibt mit der deutschen Staatsbürgerschaft seine persönlichen Wurzeln oder seine Lebensgeschichte auf. Das erwartet auch niemand von Ihnen. Ich wünsche mir vielmehr, dass Sie das Beste aus Ihrer persönlichen Entwicklung und Erfahrung weitergeben und einbringen. Dass Sie unsere Gesellschaft noch bunter, vielfältiger und stärker machen, sagte Landrat X in seiner Rede. Die Entscheidung zur Einbürgerung bringe die Zuversicht zum Ausdruck, in diesem Land eine gute Zukunft zu finden. Seien Sie sicher, dass die Bürgermeister Ihrer Städte und ich unser Bestes tun, die Basis für ein gutes Leben in unserer Region zu schaffen.

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