Die Politik hat nichts gelernt: Armutszuwanderung aus Südosteuropa

Sorgen im Ruhrgebiet: Zuwanderung in Duisburg, Dortmund und anderen Städten

Der Betrachter reibt sich verwundert die Augen: Klagen der Kommunen des Ruhrgebiets über zu hohe Belastungen durch Zuwanderung. Der Ballungsraum an der Ruhr ist wieder einmal in besonderer Weise betroffen. Ein nachvollziehbarer Hilferuf des Duisburger Oberbürgermeisters Sören Link: „Mir war es wichtig deutlich zu machen, dass Städte wie Duisburg mit über 6.500 zugewanderten Rumänen und Bulgaren, die daraus resultierenden Probleme nicht alleine lösen können. Insbesondere mit Blick auf die erheblichen benötigten, zusätzlichen Finanzen ist die Bundesregierung schnellstmöglich gefordert zu helfen. Platte Parolen und starke Sprüche helfen nicht!.“ ( www.link-fuer-duisburg.de )Und aus einer anderen Ecke natürlich die Forderung nach Zuwanderungsbegrenzung. Und wieder einmal ein Bundesinnenminister der mit Sprüchen zum Leistungsmissbrauch die Stimmung im Lande anheizt. Und der Deutsche Städtetag schreibt in einem internen Papier laut Spiegel: „Die soziale Balance und der soziale Friede“ sind „in höchstem Maße gefährdet“. Gleichlautende Botschaften wie vor mehr als 20 Jahren.

Doch im Jahr 2013 geht es nicht um Asylanten und Aussiedler – wie in den 90er Jahren, sondern um die sog. Armutszuwanderer aus Südost-Europa. Diese nutzen die legalen, durch unsere Regierungen mitbeschlossenen europäischen Freizügigkeitsregelungen.

Die Aufgeregtheit und das alarmistische Gerede deutscher Politiker haben nicht das Ziel einer Problemlösung. Vielmehr soll wieder einmal von eigenen Versäumnissen in der Vergangenheit abgelenkt werden.

Die Politik musste damit rechnen, dass sich mit Einräumung der Freizügigkeit nicht nur die sog. Arbeitsintelligenz auf den Weg nach Deutschland macht, sondern auch die vielfach in den Herkunftsländern diskriminierten Roma. Wer das leugnet muss sich fragen lassen, was denn die vielen offiziellen Regierungs- und Parlamentsdelegationen bei ihren Besuchen in Ungarn, Rumänien, Bulgarien, auf dem Balkan studiert, gesehen und besprochen haben. Während der EU-Aufnahmeverhandlungen für diese Länder hätte es Zeit genug gegeben um Steuerungsmechanismen, Konzeptentwicklung für Integration- und Information in Deutschland und Bleibehilfe in den Herkunftsländern zu entwickeln. Wieder mal ist nichts geschehen. Die Politik hat aus den schlimmen Folgen der Leugnung von Zuwanderung in Deutschland nichts gelernt. Wieder wurde verleugnet, wieder wurde verdrängt. Wieder stehen wir – laut Städtetag – vor einer Gefährdung des sozialen Friedens.

Noch 2011 wurde die Bundesregierung von Brüssel vergeblich um die Vorlage einer nationalen Roma-Konzeption gebeten. Wie immer: Erkenntnisverweigerung und Problemverschiebung auf die Kommunen. Laut Klaus J. Bade lautet die von der Bundesregierung Ende vergangenen Jahres, unmittelbar vor Ablauf der Frist, nach Brüssel übermittelte Antwort sinngemäß: „Es besteht kein Handlungsbedarf für eine nationale Roma-Konzeption; denn es gebe in Deutschland schließlich ein komplexes System von lntegrationshilfen, insbesondere Integrationskurse mit Sprach- und Orientierungskursen, die die Roma – Zuwanderer doch nur beantragen müssten“.

Offensichtlich hat keiner der hier nach Brüssel berichtenden Fachleute aus dem Innenministerium daran gedacht, dass jede Zuwanderungsgruppe ihre Besonderheiten aufweist. Gerade die Roma haben unter jahrhundertelanger Ächtung und Verfolgung gelitten und gelernt sich misstrauisch abzugrenzen. Vertrauen gab und gibt es nur zu den eigenen Großfamilien. Da ist es nicht hilfreich auf die deutschen Regularien der Integrationsförderung zu verweisen. Besondere Hilfen und spezielle Konzepte gehören hier auf den Tisch.

Nun haben wir eine Zuwanderung von 150.000 Menschen aus Rumänien und Bulgarien – dabei ein großer Teil Roma. Das ist bei zunehmender Tendenz schon viel, stellt aber sicher noch nicht den Untergang des Abendlandes dar. Gleichwohl, es muss jetzt gehandelt werden. Versäumtes muss nachgeholt werden, damit aus einem „spät“ nicht wieder ein „zu spät“ wird (Bade, MiGAZIN).

Dazu gehören vier tragende Säulen: Zunächst gilt es unsere Integrationshilfen auf die Praktikabilität und Anwendbarkeit im Hinblick auf diese Flüchtlingsgruppe hin zu prüfen und sie nötigenfalls schnellstens zu modifizieren. Dann wird es dringend notwendig sein die betroffenen Gemeinden im Rahmen eines Sonderfonds mit Mitteln für Integrations-, Netzwerk- und Akzeptanzprojekte auszustatten. Von der laufenden und erwartenden Entwicklung wird es abhängen, ob man steuernde Maßnahmen – etwa orientiert am Wohnortzuweisungsgesetz – ergreifen muss. Eine wesentliche Möglichkeit zur gerechteren Verteilung der Lasten. Nicht zuletzt gilt es im EU-Verbund Bleibehilfe in den Herkunftsländern zu organisieren. Auch hier gibt es Erfahrungen, die man nutzen kann.

Alles das ist möglich und nötig. Es hätte allerdings schon viel früher angefasst werden müssen. So besteht wieder einmal die Gefahr, dass rechtsradikale Gruppen mit diesem Thema ihre schändliche Propaganda betreiben. Wieder einmal. Und sicher will es auch dann wieder keiner gewesen sein.