Ein Neuanfang für die Schiene? – 40 Jahre nach dem Ende der Straßenbahn

Ein Neuanfang für die Schiene?   –  40 Jahre nach dem Ende der Straßenbahn
Urheber F.J. Hauke

Am 4. Oktober jährte sich zum vierzigsten Mal das Ende des elektrischen Nahverkehrs, der Straßenbahn, in Recklinghausen. Grund genug für die Rote Runde Extra  am 04.10.2022 diesen Jahrestag entsprechend zu würdigen. Im Café Sternemann traf sie sich zur kritischen Aufarbeitung der Vergangenheit und konstruktive Gestaltung der Zukunft. Ralph Bernatz, ein Kenner des Vestischen Straßenbahn,  gab einen Rückblick auf die Entwicklung der Linie 305  von der ersten bis zur letzten Fahrt. Dieses war verbunden mit vielen zeitgeschichtlichen und politischen Ereignissen. Durch die Anwesenheit von Entscheidungsträgern aus den Ratsperioden ab 1975 konnten authentisch die Hintergründe für das Aus der Straßenbahn aber auch die Verhinderung der Stadtbahn U-35 für Recklinghausen besprochen werden. Die Ursachen für beide Entscheidungen waren zunächst in einer Glorifizierung des Busverkehrs, einer falsch verstandenen Moderne aber auch im Kirchturmdenken einzelner Städte des Kreises zu sehen.  Aus den erkennbaren Fehlentscheidungen vergangener Jahre,  so Norbert Geides, ehemaliges SPD-Ratsmitglied, müsse man  lernen:  „Es zeigt sich,  dass die Mobilität zur soziale Grundversorgung der Bürger gehören muss, um nicht Marktinteressen und Parteipolitik geopfert zu werden.“ 

Die Rote Runde Extra sieht ihre Aufgabe darin, Ziele zu beschreiben die mittel- und langfristig eine klimafreundliche Mobilität ermöglicht.  Die Lösung könnte nicht alleine  das Fahrrad  und die Anpassung der Infrastruktur an die Bedürfnisse von Fahrradfahrern sein, so wie es einzelne politische Gruppierungen forderten.  Genauso wenig sei  das E Auto, mit immer noch hohem Ressourcenverbrauch die Lösung des Mobilitätsproblems. Die Darstellung des Möglichen hat sich die Rote Runde zum Ziel gesetzt.  Die Rote Runde Extra, so ihr Sprecher Uwe Adam, habe es sich zur Aufgabe gemacht neue Modelle zu hinterfragen und das Mögliche für Recklinghausen, den Kreis und das Ruhrgebiet darzustellen.

Walter Schubert, ehemaliges SPD-Mitglied im Stadtentwicklungsausschuss der Stadt verwies auf die vom Herner Bürgermeister Duda auf den Weg gebrachte Erschließung des ehemaligen Blaupunkt Geländes in Herne auch mit Forschungsinstituten der Ruhr-Universität. In diesem Zusammenhang würde die Verlängerung  der U 35 von der augenblicklichen Endstelle Schloss Strünkede um zwei Stationen ins Gespräch gebracht.  Hier gelte es, so Schubert mit der Stadt Herne zu kooperieren. Das gelte zunächst die gemeinsame Entwicklung zu einem stadtübergreifenden Zukunftscampus, diesseits und jenseits des Kanals und der Emscher zu ermöglichen.

 Für Franz-Josef Hauke, Mitglied der Roten Runde Extra, ergibt sich darüber hinaus eine besondere Chance: „ Wenn den neuen Herner Endpunkte auf dem Blaupunktgelände um zwei weitere Stationen verlängert, dann ist  schon der Bahnhof Recklinghausen Süd erreicht. Gleichzeitig erfährt das ehemalige Gelände der Zeche Recklinghausen 1 eine enorme Aufwertung. Recklinghausen erhält  eine direkte, schon immer gewünschte Verbindung nach Bochum und zur Ruhr-Universität. Der  Bahnhof Recklinghausen Süd wird zum Knoten der Mobilität.“ Dieses kurzfristig mögliche Projekt sei mit überschaubarem finanziellem Aufwand kurzfristig möglich. Es böte den  Anschluss zur Rückkehr des elektrischen, klima- und abfallneutralen  Verkehrsmittels nach Recklinghausen. Mittelfristig könne die  Anbindung des Stadtzentrums Recklinghausen mit der U35 ein Ziel sein.

Mit einem derartigen Ansinnen, so die Diskussionsrunde der Sozialdemokraten, ist nicht an die Wiederbelebung des Gestern gedacht, sondern eine der Natur und dem Klima verantwortliche Trassenführung und die Sicherstellung der Kundennähe.  Da uns der Klimawandel nicht mehr viel Zeit lasse, sei die schienengebundene Erschließung des Kreises ein notwendiges Ziel. Projekte aus der Nachbarschaft wie in Gladbeck nach  Gelsenkirchen-Horst sollten nicht bekämpft sondern müssten unterstützt werden. Weitere Überlegungen zu schienengebundenen Verbindung von  Waltrop nach Datteln, von Buer Hassel zur Marler- Achse und viele andere seien möglich. Sie sollten als mobilitätsfördernde und umweltschonende Vision ideologiefrei diskutiert werden.  Die Rote Runde Extra will  diese Vision mit Unterstützung einiger Fachleute erarbeiten und jedermann zugänglich machen. Ein schienengebundener elektrischer Nahverkehr ermögliche einen automatischen Betrieb, der bereits jahrelang erprobt sei, der die Taktfrequenz unabhängig von Personal und Zeit macht. Eine derartige Vision beinhaltet einen dichten Takt und erleichtert den Abschied von der absoluten individuellen Mobilität. Der letzte Kilometer wird nach diesen Überlegungen durch autonome Elektrokleinbusse,  die auf Abruf vor der Haustür stehen  verwirklicht. Die Garantie der Mobilität gehört nach fester Überzeugung der Roten Runde Extra zur Grundlagen des Zusammenlebens. So könne eine Hommage anlässlich des 40jährigen Endes des Straßenbahnverkehrs in Recklinghausen der Aufbruch zu neuen Überlegungen für eine umweltfreundliche und Flächen schonende Form der Mobilität sein.