Sterben der Lokalzeitungen – Der Kampf gegen den Demokratieverlust

Sterben der Lokalzeitungen –  Der Kampf gegen den Demokratieverlust
Bild Michael Gaida auf Pixabay

 

Als ich in den 1970er Jahren mein politisches Leben in meiner Heimatstadt Recklinghausen begann, da gab es in der Stadt im nördlichen Ruhrgebiet noch vier Zeitungen:  die Recklinghäuser Zeitung, die WAZ, die Westfälische Rundschau und die Ruhrnachrichten. Das war eine muntere Gemengelage und ein Ort medienpolitischer Konkurrenz. Eine Konkurrenz nicht nur um Abonnentenzahlen sondern auch um Meldungen und Meinungen.

Das hat sich in den dann folgenden Jahrzehnten erheblich verändert. Nach und nach verabschiedeten sich Rundschau und Ruhr-Nachrichten. Die WAZ ist noch am Ort – allerdings mit einem identischen Lokalteil wie die Recklinghäuser Zeitung.  Diese, als Leitblatt des damaligen Medienhauses Bauer- geht auf eine Gründung im Jahr 1831 durch Johann Nepomuk Bauer zurück. Inzwischen wurde dieses Lokalblatt auch vom Regionalmonopolisten Lensing-Wolf übernommen.  Und generell befürchtet der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft für Lokalzeitungen ein weiteres Lokalzeitungssterben und fordert postwendend zum Erhalt der Zeitungslandschaft staatliche Subventionen.

Wer die gegenwärtige Zeitungslandschaft in Recklinghausen und die Leserschaft beobachtet, der erkennt, dass die Zufriedenheit mit der Lokalzeitung erheblich erodiert und – allein durch die demographische Entwicklung – ein weiterer und existenzbedrohender Rückgang der Abonnentenzahlen zu erwarten ist.  Junge Leute lesen nur noch zu einem geringen Teil eine Lokalzeitung. Mangelnde inhaltliche Konkurrenz und ein fehlender Berichts- und Meinungspluralismus senken die Attraktivität dazu ganz erheblich. Eine derartige Entwicklung mag als ein ökonomisches und medienpolitisches Problem erscheinen und sich noch intensivieren. Nach meiner Beobachtung gefährdet insbesondere die aufgezeigte lokalpolitische Entwicklung der Medienlandschaft den Bestand der Keimzelle unserer Demokratie.  .

So gibt nur geringe quantitative wie qualitative Informationen über Themen der Nachbarschaft, des Stadtteils, der Stadt oder des Kreises. Kontroverse Darstellungen von Sachverhalten und Meinungen gibt es so gut wie gar nicht mehr.  Derartige Entwicklungen hinterlassen, trotz vorhandener alternativer Medien, einen Großteil von uninformierten Bürgern. Diejenigen, die sich trotzdem informieren können, sind in besonderer Weise privilegiert. Der Informationsabstand zwischen Informierten und Nichtinformierten wird so immer größer. So entwickelt sich, nicht nur auf lokaler Ebene, eine informationspolitische Dreiklassengesellschaft. Ein kleiner werdender Teil der Bürgerinnen und Bürger verfügt über umfängliche Informationen durch die vorhandenen Medien und Eigenaktivitäten, ein anderer Teil ist und empfindet sich als beiläufig informiert, ein zunehmender weiterer Teil ist nicht informiert und zeigt sich in Folge zunehmend desinteressiert.

Eine derartige Entwicklung ist schon an sich einer Identifikation mit der Stadt oder Gemeinde abträglich.  Umfassende und auch konkurrierende Information ist aber auch Grundvoraussetzung für eine die Demokratie tragende Partizipation der Bürgerinnen und Bürger. Ein Wegbrechen dieser Grundvoraussetzungen gefährdet schließlich das demokratische Gemeinweisen. Auf weitere demokratietheoretische Ausführungen soll an dieser Stelle verzichtet werden. Vielmehr gilt es zu fragen, wie hier im Sinne von „Demokratie wagen“ gegengesteuert werden kann.

Meines Erachtens erfordern die beschriebenen Entwicklungen das Handeln der demokratischen Akteure. Das war zum Beispiel mit dem Aufkommen des Lokalfunk möglich und nötig. Hier hat Politik im Sinne von mehr Information und mehr Partizipationsfähigkeit gehandelt und nicht auf den Markt gesetzt. Auf die Zeitungslandschaft umgemünzt heißt das, dass ein weiterer, ausschließlich privatwirtschaftlicher Weg,, ohne politische Impulse,  zur zunehmenden Konzentration und danach zur sterbenden Lokalzeitungslandschaft führen wird. Die von den Zeitungsverlegern geforderte Subventionierung der lokalen Zeitungslandschaft mag zwar einige Zeitung sichern, eine Pluralität der Meinungen sichert sie allerdings nicht.

Warum nicht mal auf die Lokalradiolandschaft schauen und ein Modell entwickeln, das eine kommunale Zeitungslandschaft ohne primäre Profitorientierung und eine notwendige „Staatsferne“ bzw. Landrats- oder Bürgmeisterferne sichert. Es gilt in Städten und Kreisen eine kommunale Anbietergesellschaft zur Sicherstellung einer Lokalzeitung zu gründen und diese von einer Betriebsgesellschaft, die für den redaktionellen Teil verantwortlich ist, an den Start zu bringen. Hier wären staatliche Subventionen gut aufgehoben. Sie würden nicht primär ökonomischen Verwertungsinteressen dienen. Vor allem würden sie örtlich bildenden Meinungsmonopolen entgegenwirken.  An der Anbietergesellschaft, die den Verlagsrahmen sicherstellt, könnten sich Verlage und andere Medienunternehmen beteiligen. Die betroffenen Kommunen müssen sich ebenso in die Anbietergesellschaft einkaufen. Die Betriebsgesellschaft ist für die Redaktion zuständig. Der Redaktion steht ein Beirat aus Vertretern unterschiedlicher gesellschaftlicher Gruppen zur Seite.

Sicher. Das ist alles leichter geschrieben als gemacht. Und doch. Einen Modellversuch in mehreren Regionen mit Unterversorgung in der lokalen Zeitungslandschaft wäre das schon wert.