AfD-Landrat im Kreis Sonneberg: Empörung reicht nicht.

AfD-Landrat im Kreis Sonneberg: Empörung reicht nicht.

Mit 52,8 % gewinnt der Rechtsanwalt und Landtagsabgeordnete Robet Sesselmann für die AfD die Landratswahlen im Kreis Sonneberg in Thüringen. Es gibt einige Politiker und Kommentatoren, die diese Wahl und die erkennbare Empörung an vielen Orten niedriger hängen wollen. So findet der Landkreistag, dass es sich um einen ganz normalen Bürgerentscheid handelt den es zu akzeptieren gilt. Damit geht er zur Tagesordnung über. Andere prognostizieren den Anfang des demokratischen Endes. Die Welle des Unverständnisses und der Empörung erfährt neue Höchststände. Hinzu kommt, dass sich die etablierten Parteien, von CDU/CSU über SPD, Grüne, FDP und Linke vordringlich damit beschäftigen einer jeweils anderen Partei die Verantwortung für das Erstarken der AfD zuzuweisen.

Um was geht es nun? Der Kreis Sonneberg ist mit seinen rund 56.000 Einwohnern wohl der kleinste Landkreis der Republik. Ein Wahlerfolg hier kann sicher kein Maßstab für die gesamte Republik sein. Und, ein Landrat ist Hauptverwaltungsbeamter. Damit gelten für ihn Recht und Gesetz, die Weisungen der Kommunalaufsicht und die Beschlüsse des Kreistages. Kurz: Ein Landrat ist auch in Sonneberg kein Sonnenkönig. Er wird nicht viel alleine entscheiden können. Aber er wird mit viel Geschick seine Position zur AfD-Widerstandsplattform gegen Weisungen von Bund und Land ausbauen können. Einschließlich unangenehmer Verwaltungsgerichtsstreitigkeiten und Disziplinarverfahren, die alle den Landrat und die AfD in ihrer Märtyrerrolle bestätigen werden.

Die Märtyrerrolle, andere bezeichnen diese auch als Opferrolle, ist übrigens genau die Rolle, die die AfD und ihre rechtspopulistischen und rechtsradikalen Akteure seit Jahren in den Parlamenten und den Medien mit Erfolg spielen. Mit geringerem Erfolg in den alten Bundesländern und mit großem Erfolg in den neuen Bundesländern.  So sehen Meinungsforscher diese Partei im Bund bei 19 % und damit an zweiter Stelle noch vor der SPD.  In Sachsen und Thüringen allerdings liegt die AfD mit 32 bzw. 30 % noch vor der CDU auf dem ersten Platz.

Für diese Erfolgszahlen braucht die Rechtsaußenpartei keine Problemlösungskompetenz oder diskutierbare Konzepte. Es genügt sich als Opfer zu gerieren und sich denen anzudienen, die ebenso ein quälendes Opfergefühl haben. Offensichtlich gibt es davon im Osten unseres Landes mehr Menschen als im Westen.  Hier geht es also um eine Strategie, die Donald Trump in seiner politischen Agitation perfekt beherrscht. Er war und ist das Opfer der Washingtoner Eliten, der Eliten die für das vielfältige Leid großer Teile der amerikanischen Bevölkerung verantwortlich sind. Die sich daraus ergebenen Wahlen sind weit mehr als Protestwahlen. Sie sind durch eine Opfersolidarität gekennzeichnet, die bei einer großen Zahl von Anhängern schon einem Vasallentum gegenüber Trump gleicht.  

Wer also den Aufstieg der AfD – nicht nur in Ostdeutschland – stoppen will, der wird sich mit diesem Phänomen der Opferentwicklung und Opfersolidarität befassen müssen. Der Blick in die politische Vergangenheit zeigt nämlich, dass diese Partei in jeder der bisherigen politischen Krisen die vermeintlichen Verlierer eingesammelt und offensichtlich zu einer inzwischen bedeutsamen Stammwählerschaft ausgebaut hat.  Dabei scheint die vom Verfassungsschutz testierte Rechtsradikalität kein Hinderungsgrund zu sein. Im Gegenteil, dieses Testat unterstreicht offensichtlich nur den Märtyrerstatus.

Mehr als nur Empörung über die AfD-Wahl- und Umfrageergebnisse zu zeigen, das heißt mehr Kontakt zu denjenigen Menschen unserer Gesellschaft aufzunehmen, die sich als Opfer früherer oder aktuell fehlgeleiteter Politik fühlen. Mehr persönliche Nähe und fühlbare Zuneigung sind hier, trotz aller Differenzen, zwingend. Natürlich gehört dazu mehr materielle Gerechtigkeit. Aber das ist nicht alles. Mehr gesellschaftspolitische Bildung, die ihren Namen verdient ist angebracht. Eine Steuerpolitik, die mehr Solidarität und Nachbarschaft fördert statt Profitgier, wäre wertsetzend. Es gibt außerdem Ängste, die, wie die Flüchtlingsfrage, berechtigt oder unberechtigt, wie ein Turbo der Unzufriedenheit wirken. Nicht nur hierzu wird sich die Politik, in Ost wie in West, auf die emotionale Leistungsfähigkeit ihrer Bevölkerung einstellen müssen. Erodiert nämlich unser demokratisches System an dieser Frage, ist weder uns und unseren demokratischen Werten, noch den wirklich hilfsbedürftigen Flüchtlingen, geholfen.  Klare, nachvollziehbare Konzepte eines Migrationsmanagements, der Bekämpfung illegaler Zuwanderung, des Förderns und Forderns, von Rechten und Pflichten und eine verständliche Kommunikation hierüber, sind für diesen Problemkreis notwendig.  

Insgesamt müssen sich die Parteien diesseits der AfD darüber im Klaren sein, dass auch der Stil der Auseinandersetzung, in einer Koalition oder als Opposition, die Unsicherheit der Bevölkerung maßgeblich beeinflusst. Gerade durch die wohl jetzt zum Abschluss kommende „Heizungsdebatte“ wird deutlich, dass der Faktor Angst, als beliebtes rhetorisches Mittel, ausgiebig eingesetzt wurde. Wenn diese rhetorischen Impulse, über die neuen wie alten Medien verstärkt, auf die angstvollen Narrative der Bürgerinnen und Bürger treffen, darf man sich über derartige Erfolge einer Partei die diese Ängste aufnimmt, überhaupt nicht wundern.

So bleibt das Resümee: Empörung über die Erfolge der AfD reicht nicht. Notwendig sind politische Maßnahmen die Ängste reduzieren, spürbare Zuwendungen zu den Bürgerinnen und Bürgern  und ein klarer Politik- und Kommunikationsstil der Ängste verringert statt sie zu vermehren.